Franz Michael                            Die Einsamkeit

Schieder

1774 - ?                                                           O süße, wonnigliche Einsamkeit!

Du lohnst in deiner Abgeschiedenheit

Den, welcher dich verehret, mit Genüssen,

Die rein und harmlos, wie die Blumen sprießen.

 

Beglückte, holde Flur! wann kömmt die Zeit,

Wo ich vom Stadtgeräusch und Zwang befreit,

Mein Leben frei und sorglos seh’ verfließen,

Dort, wo sich deine Schatten kühl ergießen?

 

Aus Gold und Seide werden mir zwar nicht

Die Parzen meinen Lebensfaden spinnen;

Doch sanft wird mir das Lebensbächlein rinnen.

 

Sey’s, daß des Ruhmes Glanz mir auch gebricht!

Genug! herrscht Ruhe nur in meinem Sinnen,

Scheid’ im Gewissen rein ich einst von hinnen!

 

 

 

Franz Michael                            An Sie

Schieder

1774 - ?                                                           Ein herrlich Weibchen war’s, das ich einst liebte,

das mich in seinem Leben nie betrübte.

Doch wehe! bald zerriß das Rosenband,

Der Engel floh hinauf in’s beßre Land.

 

Das neidenswerthe Glück, wie’s bald zerstiebte!

Der grause Tod, welch Unheil er verübte!

Mein Blick, mein Sehnen steigt, wohin sie schwand,

Dort zu des blauen Aethers Sternenwand.

 

Ich seh’s! Auf reiner lichter Wolke schwebt

Ein Engel, der den goldnen Fittig schwinget,

Und lächelnd Tröstung mir im Elend bringet.

 

Ich seh’s, ich fühl’s und werde neu belebt.

So tief in mich des Schmerzes Stachel dringet,

Die Hoffnung mir des Dulders Lohn erringet!

 

 

 

 

Franz Michael                            Empfindungen

Schieder                                       auf dem hohen Berge bei Stauf.

1774 - ?                                                          

Was doch zieht mich zu den klaren Höhen,

Zu der Wolken goldgewobnem Saum

In dem blauen sternbesä’ten Raum,

Wo mich Aetherlüfte rein umwehen?

 

Auf den Sonnenhügeln möcht’ ich stehen,

Möchte (ach, die Seele faßt es kaum,

Und mir lächelt’s, wie ein schöner Traum)

Sanft im Quell des Lichtes untergegen!

 

Seinen Schranken will der Geist entrinnen,

Schwebte gern auf wonnevoller Bahn

Zu der Welten Heiligthum hinan.

 

Darum winken ihm der Berge Zinnen,

Wo er frei zum Himmel fliegen kann.

Unten kettet uns die Erde an!

 

 

 

 

Franz Michael                            An Sie

Schieder

1774 - ?                                                           Auf jenen fernen, sanftumflorten Höhen

Wo früh und spät mein Auge gerne schwebt,

Da hab’ ich Sie das erste Mal gesehen.

Von welcher Wonne war ich da belebt!

 

In jener hohen Linden kühlem Wehen

Hat ihre Hand in meiner Hand gebebt.

Oft schwiegen wir und konnten uns verstehen.

Einklingend war das Herz in Herz verwebt.

 

Nun raubte Sie der Tod. Sie sieht hernieder

Auf mich sanft lächelnd aus des Himmels Höhen.

Geliebte, bald, bald werden wir uns wieder

 

Im Land der Seligen dort wandelnd sehen.

Mein Drängen hin zu dir wird nie vergehen.

Du Einz’ge lebst im letzten meiner Lieder.